Sexuelle Belästigung

Grace Parker beschreibt ihre Erfahrungen in einem Spirituosen-Geschäft und der Solidarität ihrer Kolleginnen.
Sexuelle Belästigung
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Den Beitrag anhören | Gelesen von Jona Larkin White | Quelle: direkteaktion.org/podcast
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Meine erste größere Erfahrung mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz machte ich mit siebzehn Jahren in einem mexikanischen Restaurant. Einer der Manager, ein Mitglied der Familie, der das Restaurant gehörte, griff meiner sechzehnjährigen Kollegin hinten in die Hose hinein. Sie und ich konfrontierten den Hauptmanager gemeinsam, und er reagierte, indem er dem übergriffigen Manager zwei Wochen bezahlten Urlaub gab. Nach zwei Wochen war er zurück und arbeitete immer noch in denselben Schichten mit der Kollegin, die er angegriffen hatte. Wir organisierten einen Marsch hin zum Chef, den ersten, den ich je unternommen hatte, und gingen mit zwei weiteren unserer Kolleg*innen zurück zum Hauptmanager. Wir verlangten, dass der übergriffige Manager gefeuert wurde, aber stattdessen änderte der Chef den Dienstplan meiner Kollegin, damit sie nicht in derselben Schicht arbeiten musste wie der Mann, der sie angegriffen hatte. Das war zwar nicht gerade ein Sieg, aber immer noch besser als nichts. Das war zwei Jahre, bevor ich der IWW beitrat, und ich war ahnungslos, was den Aufbau von Arbeiter*innenmacht und Veränderungen am Arbeitsplatz anging. Ich wünschte, ich hätte damals gewusst, was ich heute weiß, dann hätten wir mehr zu diesem Thema organisieren können und tatsächlich etwas an einem Arbeitsplatz erreichen können, an dem sexuelle Belästigung die Norm und nicht die Ausnahme war.

Vier Jahre später fand ich mich wieder in einem Umfeld, in dem sexuelle Belästigung etwas ist, das man erwarten kann, das „einfach zum Job gehört“ und das von Chef*innen und Kolleg*innen gleichermaßen als unvermeidlich abgetan wird.

Vier Jahre später fand ich mich wieder in einem Umfeld, in dem sexuelle Belästigung etwas ist, das man erwarten kann, das „einfach zum Job gehört“ und das von Chef*innen und Kolleg*innen gleichermaßen als unvermeidlich abgetan wird. Dieses Mal war es jedoch anders. Ich hatte den Job zum Zweck des Organizings angenommen und steckte noch in den Anfängen der Kampagne. Der Laden hieß Chicago-Lake Liquors, und sollten schließlich eine Reihe von Aktionen durchführen, die in der Massenentlassung von fünf Arbeiter*innen gipfelten, darunter auch ich, als Vergeltung für einen Marsch auf den Chef, bei dem wir Lohnerhöhungen forderten. Als ich anfing, gab es jedoch nur zwei weitere IWW-Mitglieder im Betrieb. Sie machten einige Fortschritte, indem sie mit ihren Kolleg*innen sprachen, Beziehungen aufbauten und sich um Probleme am Arbeitsplatz kümmerten. Allerdings gab es ein Problem: Sie waren beide Männer. Die Belegschaft bei Chi-Lake war unglaublich geschlechtergetrennt, alle Kassiererinnen waren Frauen und alle Lageristen waren Männer. Diese Arbeitsteilung basierte auf zwei beschissenen Ideen des Managements: zum einen, dass Frauen keine schweren Dinge heben können, und zum anderen, dass die Besetzung der Kassen mit jungen, attraktiven Frauen Männer dazu bringen würde, mehr Alkohol zu kaufen. Es diente auch dazu, die Belegschaft effizient zu spalten. Die Lageristen hatten Beschwerden, mit denen sich die Kassiererinnen nicht identifizieren konnten, und umgekehrt. Es verhinderte, dass sich geschlechterübergreifende Beziehungen bildeten, und das war das Problem, mit dem die beiden Organizer konfrontiert waren, als sie versuchten, ein Komitee zu bilden, das vollständig repräsentativ für den Arbeitsplatz war. An dieser Stelle kam ich ins Spiel.

Einige kurze Hintergrundinformationen zu Chicago-Lake Liquors: Es gehört John Wolf, einem Multimillionär, der unglaublich reich aufwuchs, aber das Geld seiner Familie gemieden und stattdessen seinen Reichtum als Sportagent gemacht hat. In den frühen 2000er Jahren kaufte er Chi-Lake als spaßiges Nebenprojekt und als Gelegenheit, es seiner Familie heimzuzahlen, die ebenfalls ein großes und profitables Spirituosengeschäft in den Twin Cities besaß. Der Typ ist ein Idiot erster Güte. Unter seiner Leitung wurde Chi-Lake unglaublich erfolgreich und ist heute der umsatzstärkste Spirituosenladen nicht nur in Minnesota, sondern auch in Iowa, Wisconsin und den Dakotas. Der Laden befindet sich in einem der einkommensschwächsten Viertel von Minneapolis, und John Wolf verdient sein Geld, indem er die Alkoholabhängigkeit von Schwarzen und weißenMenschen sowie von First-Nations, Latinxs und Somalianer*innen aus der Arbeiter*innenklasse ausnutzt, die in der Nachbarschaft leben, sowie die riesige Gemeinschaft von Lumpenproletarier*innen, die an der Kreuzung von Chicago Avenue und Lake Street herumhängen. Chi-Lake ist bekannt für seine niedrigen Preise (daher unser Slogan: „Großartiger Ort, um sich einzudecken, schrecklicher Ort, um ein Lagerist zu sein“[1]) und die verrückte Atmosphäre (ein weiterer Slogan: „Ich überlebte Chicago-Lake Liquors“). Im Inneren des Ladens ist ständig etwas los, und an einem beliebigen Freitag- oder Samstagabend reicht die Schlange regelmäßig bis in die Gänge.

Als ich anfing, bei Chi-Lake zu arbeiten, war ich ein wenig überfordert. Ich hatte schon in anderen Jobs sexuelle Belästigung erlebt, aber nicht in der Häufigkeit und Intensität wie im Spirituosenladen.

Als ich anfing, bei Chi-Lake zu arbeiten, war ich ein wenig überfordert. Ich hatte schon in anderen Jobs sexuelle Belästigung erlebt, aber nicht in der Häufigkeit und Intensität wie im Spirituosenladen. Zum Glück hatte ich meine Kolleginnen, die mir halfen. Unter den Frauen, mit denen ich zusammenarbeitete, entstand sofort ein Gefühl der Solidarität, und am Arbeitsplatz hatte sich eine Kultur entwickelt, in der man sich gegenseitig den Rücken freihielt. Als ich eingearbeitet wurde, zeigte mir meine Kollegin, der ich über die Schulter schaute, nicht nur, wie man die Kasse bedient und die Schnäpse auffüllt, sondern sie brachte mir auch bei, wie man mit dem endlosen Strom von Männern umgeht, die uns sexuell belästigen wollten. Sie sagte mir, wann ich eine Grenze ziehen musste, wie ich Männer zurechtweisen konnte, ohne Ärger mit dem Chef zu bekommen, wann ich den Sicherheitsdienst rufen musste (es war immer ein Polizist oder ein Wachmann im Dienst, um Ladendiebstahl zu verhindern) und wann ich den Manager rufen musste. Sie halfen mir, einen falschen Namen auszuwählen, den ich den Kunden geben sollte, wenn sie zu viele persönliche Fragen stellten (meiner war Grace, mein zweiter Vorname und auch mein Pseudonym zum Schreiben). Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, mich durchzusetzen. Ich war so daran gewöhnt, in einem Yuppie-Naturkostladen zu arbeiten, wo man sich ducken und es hinnehmen muss, wenn ein Kunde einen anschreit, und dabei immer ein Lächeln im Gesicht behalten muss. In dieser Zeit hatte ich das Glück, dass meine Mädels da waren, um mich zu unterstützen und dem Kunden zu sagen, er solle die Klappe halten, sonst würden wir ihm keinen Alkohol verkaufen. Schließlich wurde ich selbstbewusst genug, um mich selbst darum zu kümmern und auch ein Auge auf die Sicherheit der anderen Kassiererinnen zu haben. Das war gelebte Solidarität und es war eine schöne Sache.

Meine Kolleginnen erzählten mir Horrorgeschichten über ihre Arbeit als Kassiererin in Chi-Lake. Keisha erzählte mir von dem Mann, der immer wieder im Laden anrief und sie während ihrer Schicht sprechen wollte, und das schaukelte sich schließlich so weit hoch, dass er vor dem Laden darauf wartete, bis sie mit der Arbeit fertig war, bevor die Geschäftsleitung den Typen endlich mit einem Hausverbot belegte. Alex erzählte mir, wie unser Chef ihr anbot, sie nach Hause zu fahren, und dann versuchte, sich an sie heranzumachen. Tage später wurde sie gefeuert. Alice, eine Frau, die dort seit fast 10 Jahren arbeitet, erzählte eine Geschichte von vor ein paar Jahren, als ein Kunde über den Tresen griff und einer Kassiererin an die Brust fasste. Der Mann hatte Hausverbot, aber nur so lange, bis diese Kassiererin nicht mehr bei Chi-Lake arbeitete. Jetzt ist er jeden Tag wieder da und kauft seine 0,7-Liter-Dosen Olde English. Ich sah, wie Crystal alle Männer ertrug, die sie anmachten, weil sie wusste, dass sie mit 15 Dollar Trinkgeld pro Abend nach Hause gehen konnte, was fast zwei Stunden Lohn entsprach. Ich hörte, wie die Lageristen im Kühlraum über Liyas Hintern sprachen, wohlwissend, dass sie als konservative äthiopisch-orthodoxe Christin extrem beleidigt sein würde. Ich sah, wie die Männer Selam und Tsega, meine Amhara- und Oromo-Kolleginnen, die ebenfalls aus Äthiopien stammten, behandelten, und bemerkte, dass die sexuelle Belästigung, mit der sie es zu tun hatten, ethnisch begründet war und orientalistische Untertöne aufwies. Jane vertraute mir an, dass sie versuchte, ihren missbräuchlichen Freund zu verlassen, es sich aber nicht leisten konnte, bis das Management ihr mehr Schichten gab. Vanessa musste den Job schließlich aufgeben, als sie mit Zwillingen schwanger war, weil das Management ihr nicht erlaubte, sich auf einen Hocker zu setzen, als ihre Füße zu müde wurden, um die 10-Stunden-Schichten durchzustehen, die man ihr immer wieder gab. Geschlechtsspezifische Bedenken kamen in vielen Formen und es war nur eine Frage der Zeit, bis ich meine eigenen Horrorgeschichten zu erzählen hatte.

Ich wurde so oft Schlampe genannt, dass ich fast anfing, auf den Namen zu reagieren. Fotze und Hure waren auch alltäglich, aber nicht so häufig wie Honey, Süße oder Baby. Ein Kunde nannte mich einfach nur „Beine“, da er offenbar meine Beine sehr mochte und ich als Frau offensichtlich nichts anderes zu bieten habe als meinen Körper. Einer meiner persönlichen Lieblingskommentare war: „Verdammt, bist du dick für ein weißes Mädchen.“ Wenn ich einen Dollar für jeden Heiratsantrag bekäme, den ich bekomme, könnte ich mir endlich ein neues Vorderrad für mein Fahrrad kaufen. Die Kommentare waren nervig, aber ich konnte im Allgemeinen damit umgehen. Als junge Frau, die in der Stadt aufgewachsen ist, nur ein paar Blocks von Chicago-Lake Liquors entfernt, habe ich mich an die Rufe und das Cat-Calling auf der Straße gewöhnt und kann es ziemlich gut ausblenden. Am schwierigsten waren die Situationen, in denen mich Kunden ohne meine Erlaubnis anfassen wollten. Ich habe eine sichtbare Tätowierung auf dem Unterarm, und oft griffen die Leute einfach über den Tresen hinweg an meinen Arm, um einen besseren Blick drauf zu haben. Einmal habe ich einem betrunkenen Mann die Bedienung verweigert, woraufhin er wütend wurde und mein Handgelenk so fest anfasste, dass es eine Stunde lang einen Abdruck hinterließ. Ich habe schon Blut, Spucke und andere fragwürdige Substanzen auf mich bekommen. Ein besonders beunruhigender Vorfall ereignete sich nicht bei der Arbeit, sondern als ich im Lebensmittelladen in meiner Nachbarschaft war. Ein Stammkunde des Spirituosenladens sah mich und folgte mir nach Hause. Danach deponierte ich einen Baseballschläger unter meinem Bett.

Der erste große Vorfall, mit dem ich zu tun hatte, ereignete sich im September 2012, etwa zwei Monate, nachdem ich im Spirituosengeschäft zu arbeiten begonnen hatte. Ich arbeitete an einem geschäftigen Samstagnachmittag an der Kasse, als ein Lagerist mit einer Kiste Bier für seinen Freund Matt kam, der dort einkaufen war. Matt hat so etwas wie ein Alkoholproblem und war um 16 Uhr schon unglaublich betrunken. Normalerweise würde ich jemanden, der so betrunken ist, nicht bedienen, aber er war mit meinem Kollegen, dem Lageristen, befreundet, also ließ ich es durchgehen. Er fing an, mich mit einer Beharrlichkeit anzubaggern, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Er fragte mehrmals nach meiner Nummer und machte pausenlos Kommentare über meinen Körper und all die verschiedenen Arten, wie er Sex mit mir haben wollte. Zu diesem Zeitpunkt machte Matt schon eine Szene, aber ich wollte meinen Manager nicht rufen, weil ich sonst Ärger bekommen hätte, weil ich an jemanden verkaufte, der so betrunken war. Ich beendete die Transaktion so schnell wie möglich, aber Matt hörte immer noch nicht auf, nach meiner Nummer zu fragen. Als er ging, nahm er die Quittung, schrieb seine Nummer darauf und gab sie mir zurück. Ich nahm ihn und zerriss ihn direkt vor seinem Gesicht in zwei Hälften, zerriss ihn in Fetzen und warf ihn in den Müll. Das machte ihn wütend, aber er sagte nur: „Ahh, du bist ja ganz schön temperamentvoll.“ Ich dachte, ich wäre aus dem Schneider, nachdem er gegangen war, aber er kam in der nächsten Woche wieder und machte genau da weiter. Ich sagte ihm, er solle nie wieder mit mir reden oder an meiner Kasse anstehen, sonst würde ich den Sicherheitsdienst rufen und er würde Hausverbot bekommen. Es schien tatsächlich zu funktionieren. Er respektierte das ein paar Monate lang, bis zu einem besonders geschäftigen Abend. Er schien es eilig zu haben, also dachte er, ich würde für den einen Tag Nachsicht mit ihm haben. Damit lag er falsch, und ich sagte ihm, er solle aus meiner Schlange verschwinden und zu einer anderen Kasse gehen. Ich wollte nicht nachgeben und wir fingen an, uns anzuschreien. Mein Chef bemerkte, dass meine Schlange aufgehalten wurde, also kam er rüber, um die Situation zu überprüfen. Ich sagte ihm, warum ich Matt nicht bedienen würde, aber mein Manager bestand darauf, dass ich es tue. Ich weigerte mich immer noch, also brachte mein Chef ihn zu einer anderen Schlange und bediente ihn dort, aber nicht bevor er mir sagte, ich solle ihn sofort in seinem Büro sehen, nachdem Matts Transaktion beendet war. Als ich meine Kasse abschloss, ging Matt auf dem Weg zur Tür an mir vorbei und schrie: „Verdammte Fotze!“ Ich ging nach hinten in das Büro meines Chefs, sollte mich hinsetzen und bekam einen Vortrag darüber, dass ich niemals das Recht hätte, einem Kunden die Bedienung zu verweigern und dass ich einen Manager rufen müsse, wenn ich ein Problem hätte. Sie waren gerade dabei, mir eine offizielle mündliche Verwarnung zu erteilen, als ich die Tatsache erwähnte, dass er mich wenige Minuten zuvor eine Fotze genannt hatte. Plötzlich änderte der Manager seinen Ton und beschloss, mich nicht aufzuschreiben. Am Ende bekam Matt wegen der Beschimpfungen ein Hausverbot, aber nur unter der Bedingung, dass ich mich nie wieder ohne Zustimmung des Managers weigern würde, einen Kunden zu bedienen. Offensichtlich ist das Management qualifizierter zu entscheiden, wann ich mich unwohl genug fühle, um jemandem zu sagen, dass er nicht mit mir interagieren kann, als ich selbst.

Die ganze Erfahrung war keineswegs ein Einzelfall. In der Tat war es eine ziemlich typische Reaktion des Managements auf solche Vorfälle, und die meisten meiner Kolleginnen haben ähnliche Geschichten. Den Chef*innen geht es nicht um unser Wohlergehen, sondern nur um die Sicherheit der Ware und damit um den Gewinn. In ihren Augen sind Kassiererinnen entbehrliche Objekte, die nur 8 Dollar pro Stunde kosten, die man benutzen, missbrauchen und wegwerfen kann. Wenn wir uns bei der Arbeit sicher fühlen wollen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Seele jeden Tag zerquetscht wird, wenn wir das letzte Fitzelchen Würde, das wir bei der Arbeit haben, bewahren wollen, müssen wir für uns selbst kämpfen. Das Management zu involvieren, war nie eine ausreichende Antwort auf sexuelle Belästigung und wird es auch nie sein.

Die Solidarität unter den Kassiererinnen im Spirituosenladen ist erstaunlich, aber sie wäre so viel stärker, wenn unsere Aktionen konzertiert und in eine ladenweit organisierte Belegschaft eingebunden wären.

Als ich von meinem Job gefeuert wurde, war ein Teil von mir erleichtert, dass ich den ganzen Mist mit den Kunden nicht mehr ertragen musste. Aber ein anderer Teil von mir war traurig, weil ich wusste, dass eine neue Frau eingestellt werden würde und diejenige sein würde, die sich mit den Belästigungen auseinandersetzen müsste. Ein Angriff auf eine*n ist immer noch ein Angriff auf alle.[2] Ich wünschte mir so sehr eine Gewerkschaft in der Filiale, damit wir uns gemeinsam noch stärker gegen die Bedingungen wehren konnten, unter denen wir gezwungen wurden zu arbeiten. Die Solidarität unter den Kassiererinnen im Spirituosenladen ist erstaunlich, aber sie wäre so viel stärker, wenn unsere Aktionen konzertiert und in eine ladenweit organisierte Belegschaft eingebunden wären. Es reicht nicht aus, sich gegenüber Kunden in die Defensive zu begeben, um Belästigungen zu bekämpfen. Um wirklich effektiv zu sein, müssen wir in die Offensive gehen. Wäre unsere Organisierung nicht durch die vergeltungsbedingten Entlassungen unterbrochen worden, hätten wir eine Reihe von betrieblichen Aktionen wie Arbeitsniederlegungen oder Verlangsamungen durchführen können, um eine Null-Toleranz-Politik für sexuelle Belästigung durchzusetzen. Leider verlief die Kampagne im Sande und wir nahmen eine finanzielle Abfindung an, die keine Wiedereinstellung vorsah. Allerdings habe ich einige wertvolle Lektionen darüber gelernt, wie man sich im Betrieb wehrt, und in einer Branche voller Situationen wie der von Chi-Lake werde ich in der Lage sein, die Fähigkeiten, die ich während dieser Kampagne gelernt habe, auch in anderen Organizing-Situationen anzuwenden. Wenn eines sicher ist, dann, dass Chicago-Lake Liquors nicht mein letzter Job sein wird, bei dem geschlechtsspezifische Belange ein großes Ärgernis darstellen.


[1] Anm. d. Ü.: Im englischen Original: „Great place to stock up, terrible place to be a stock boy“.

[2] Anm. d. Ü.: Verweis auf das Motto der IWW. Auf Englisch: „An injury to one is an injury to all.“

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Dieser Text ist enthalten in unserem Buch: "Spuren der Arbeit. Geschichten von Jobs und Widerstand" erschienen im August 2021.
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